worte
Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,
hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,
denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.
Refrain zu Gerhard Schöne: „Wellensittiche und Spatzen“, 1985
[…]
Lang genug hab‘ ich versucht,
Idealen zu entsprechen
Doch wenn ich im Spiegel meine Augen sah
war mir klar:
Nein, ich bin’s nicht
Und ich werd es niemals sein
Ihr könnt mich biegen
Ihr könnt versuchen, mich zu brechen
Ihr könnt mir alles nehmen,
Doch eins kann ich euch versprechen:
Niemals, niemals pass ich in eure Form,
eure Norm – und bleibe der Dorn in euren Augen.
[…]
aus: Such a Surge, Ideale !?
versenk dich in träume
sonst wirft dich ein schlagwort um
sie wurzeln in bäumen
und wind ist wind
vertrau deinem mut
wenn die meere auflodern
und lebe der liebe
und kreisten die sterne rückwärts
ehre das vergangene
aber freu dich der zukunft
und vergiß den tod
beim hochzeitsfest
was kümmert dich eine welt
voller schurken und helden
denn gott liebt die mädchen
das morgen und die erde
e. e. cummings
aus: N.H. Kleinbaum, Club der toten Dichter
I went to the woods
because I wished to live deliberately
I wanted to live deep
and suck out all the marrow of life
To put to rout all that was not life
And not, when I came to die,
Discover that I had not lived.
nach Henry David Thoreau
N.H. Kleinbaum, Club der toten Dichter
Lebenslied
Hans-Eckardt Wenzel
Ich plane die Schmerzen mit ein,
Ich atme den Rauch, der mich aufkratzt und nährt,
Ich schwärze die Lungen mir ein.
Weiß: Leben ist nicht Artigsein.
Ich höre die Warnungen, die man spricht,
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
Ich plane das Herzweh mit ein,
Ich schmiege mich, Liebste, fest an deinen Leib.
Weiß, das wird nicht für ewig sein.
Ich höre die Zeit ticken in uns zwei’n.
Die Schwüre auf Treue, die glaub ich nicht,
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
Ich plane den Ärger mit ein.
Ich melde mich unaufgefordert zu Wort.
Mein Herz ist nicht rein; bin nicht klein.
Ich will einfach da gewesen sein!
Wird heiser die Stimm‘ mir auch, bis sie bricht,
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
Ich plane den Kummer mit ein.
Ich liebe mir Kinder her auf diese Welt.
Verlieb mich in ihr Lachen und Schrei’n.
Ich will einfach noch mal Lebendigsein.
Und nehmen sie Platz und Zeit mir, so ist’s.
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
Ich plane den Kater mit ein.
Ich trinke den Boden der Gläser ans Licht.
Weiß: Früh werd ich zerschlagen sein.
Ich tanze, ich singe, ich schenk mir ein,
Und rechne nicht aus, was mich würgt, was mich bricht.
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
Ich plane die Sorge mit ein.
Ich greife verlockend weit aus meiner Zeit.
Ich träume mir das Anderssein.
Will leben, eh mich Gewöhnung zuschneit.
Mag sein, dass man später ganz anders anders ist,
ABER VERZICHTEN WILL ICH DRAUF NICHT.
(1977)
Du hast es nur noch nicht probiert
Gerhard Schöne
Du hast es nur noch nicht probiert
Und darum glaubst du’s nicht
Gleich kommt der Staatsmann vorbei
Im Diplomatenkonvoi
Die Polizei-Eskorte rollt langsam heran
Du hebst gebietend die Hand
Und die Eskorte hält an
Du nimmst den Staatsmann mal ganz locker in den Arm
Und du sagst ihm ins Gesicht,
Was dir gefällt und was nicht
Und welchen Wunsch du offen hast
Und er bedankt sich ganz lieb
Und sagt „Das war’n guter Tipp.
Sei’n Sie heut abend mein Gast!“
Du hast es nur noch nicht probiert
Und darum glaubst du’s nicht
Im Kino kommt heut ein Film
Mit dieser Schauspielerin,
Bei der dein Herz so klopft, dass sich die Jacke beult
Sie sitzt vorm Spiegel betrübt
Und fragt: „Ob einer mich liebt?“
Das halbe Kino schluchzt, das halbe Kino heult.
Da stehst du auf und rufst „Ich!“
Und alle starr’n auf dich
Doch sie springt aus der Leinwand raus.
Ein leerer Fleck bleibt im Bild
Ihr zwei umarmt euch wie wild
Dann geht ihr glücklich nach Haus.
Du hast es nur noch nicht probiert
Und darum glaubst du’s nicht
Du gibst dich so stinknormal
Es ist dir selbst eine Qual
Doch eines Tages fällst du auf im Einerlei
Da explodiert dein Gefühl,
Du tanzt im Menschengewühl,
Du bist ein Tango, ein Vulkan, ein Jubelschrei
Die Leute rings um dich her
Erstarr’n und atmen nicht mehr,
Die Zigaretten gehen aus.
Es schweigen Autos und Bahn,
Dann tanzt ein Flugzeuge heran
Und endlich donnert Applaus.
Du hast es nur noch nicht probiert
Und darum glaubst du’s nicht
Mensch, du bist hart wie ein Stein
Wie zärtlich könntest Du sein
Und die gefror’nen Blicke tau’n wie nichts dahin
Mensch, Du bist stumm wie ein Fisch
Und alles wartet auf dich
Denn, Mensch, in dir steckt doch noch Ungeahntes drin.
In Dir schläft Tanz und Gesang
Und was noch keinem gelang,
Das packst vielleicht gerade Du!
In dir schläft Mut, Fantasie,
ja, und vielleicht ein Genie,
na los, nun trau dir’s doch zu!!!
Du hast es nur noch nicht probiert
Und darum glaubst du’s nicht!!
(1988)
Mahnung an C.
Heinz Kahnlau
Geh sorgsam mit dir um,
dich kann’s nur einmal geben
und auch nur kurz –
man darf dich nicht verbrauchen
wie einen Rohstoff.
Du bist kein Produkt.
Entzieh dich der Statistik,
du bist wichtig.
Bewahre dich,
weiche der Härte aus,
verweigre dich
den Überflüssigkeiten.
Gib deine Antworten selbst,
stell selber deine Fragen,
gib acht auf dich,
dich gibt es nur einmal.